Monika Klein Seidenapplikationen
Entstehungsjahr
Original: 1929
Applikation: 2007


Format
Breite: 53 cm
Höhe: 48 cm
Titel
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"Ein Sommer von einer Kraft und Glut, einer Lockung und Strahlung wie ich nur wenige erlebt habe, durchdringt mich wie ein starker Wein. (...) Die glühenden Tage wanderte ich durch die Dörfer und Kastanienwälder, saß auf dem Klappstühlchen und versuchte, mit Wasserfarben etwas von dem flutenden Zauber aufzubewahren. Ich ging denn also am Spätnachmittag aus, den Rucksack mit dem Malzeug auf dem Rücken, den kleinen Klappstuhl in der Hand, und suchte den Platz auf, den ich mir schon am Nachmittag gemerkt hatte. Es ist ein steiler Abhang über unserem Tessiner Dorf (...). Von hier aus sah man die Ostseite unseres Dorfes, lauter dunkle, alte Dächer aus Holzziegeln, auch ein paar hellrote neue, ein Gewinkel von nackten Steinmauern (...)."
Abendwolken

Manchmal, wenn ich so am Abend sitze und zu den Abendwolken hinüberschaue, die drüben gerade in meiner Höhe schwimmen (…) in langen Bänken über dem Himmel gelegen (…), dann bin ich nahezu zufrieden. Ich sehe die Welt da unten liegen und denke: Du kannst mir gestohlen werden. Ich habe kein Glück in dieser Welt gehabt, ich habe nicht gut zu ihr gepasst, und sie hat mir meine Abneigung reich erwidert und vergolten. Aber umgebracht hat sie mich nicht. Ich lebe noch, ich habe ihr Trotz geboten und habe mich gehalten (…).

(…) Zuschauen können ist eine vortreffliche Kunst, eine raffinierte, heilsame und oft sehr vergnügliche Kunst.

Ich habe diese Kunst an den Abendwolken gelernt. Immer, wenn ich so am Abend meine Stunde auf dem Balkönchen sitze, habe ich es mit den Wolken zu tun, denn mein hochgelegenes Vogelnest blickt ja mitten in die Wolken hinein.
Häuser am Abend

Im späten schrägen Goldlicht steht
Das Volk der Häuser still durchglüht,
In kostbar tiefen Farben blüht
Sein Feierabend wie Gebet.

Eins lehnt dem andern innig an,
Verschwistert wachsen sie am Hang,
Einfach und alt wie ein Gesang,
Den keiner lernt und jeder kann.

Gemäuer, Tünche, Dächer schief,
Armut und Stolz, Verfall und Glück,
Sie strahlen zärtlich, sanft und tief
Dem Tage seine Glut zurück.

In der Casa Rossa wohnte Hermann Hesse von 1931 bis  zu seinem Tod im Jahr 1962. In diesem Haus verstarb er im Alter von 85 Jahren. Hermann Hesses dritte Ehe (1931 geschlossen mit Ninon Doblin) fand hier ihr Zuhause.

Bauer und Nomade

Nachdem Hermann Hesse im Lauf seines Lebens sehr häufig seinen Wohnort gewechselt hatte ("... hatte ich das Gefühl von Sesshaftigkeit, und eben darum auch zuweilen das Gefühl der Gefangenschaft, des Verhaftetseins an Grenzen und Ordnungen …"), war die Casa Rossa nun sein letztes Domizil. Sein Freund Hans C. Bodmer überließ ihm dieses Haus auf Lebenszeit.

"Wieder einmal unternehme ich es, mich neu einzurichten, und wieder geschieht es für's ganze Leben, und diesmal wird es vermutlich stimmen."

Nun war Hermann Hesse "Wider allen Erwartens" angekommen und genoss "das Gefühl der Sesshaftigkeit, des Heimathabens, das Gefühl der Freundschaft mit Blumen, Erde, Quelle, das Gefühl der Verantwortlichkeit für ein Stückchen Erde, für fünfzig Bäume, für ein paar Beete Blumen, für Feigen und Pfirsiche…"

Der südliche Julitag sank glühend hinab, die Berge schwammen im blauen Sommerdunst mit rosigen Gipfeln, im Gefilde kochte schwül das schwere Wachstum, strotzend stand der hohe fette Mais, in vielen Kornfeldern war das Korn schon geschnitten (…).

Da blickte jedes Fleckchen Rot oder Ocker so klangvoll aus dem Grünen, jeder alte Rebenpfahl mit seinem Schatten stand da so nachdenklich, schön und in sich versunken, und noch im tiefsten Schatten sprach jede Farbe klar und kräftig.

Heißer Mittag

Im trocknen Grase lärmen Grillenchöre,
Heuschrecken flügeln am verdorrten Rain,
Der Himmel kocht und spinnt in weiße Flöre
Die fernen bleichen Berge langsam ein.

Es knistert überall und raschelt spröde,
Auch schon im Wald erstarren Farn und Moos,
Hart blickt im dünnen Dunst der Himmelsöde
Die Julisonne weiß und strahlenlos.

Einschläfernd laue Mittagslüfte schleichen.
Das Auge schließt sich müd. Es spielt das Ohr
Im Traum sich die ersehnten, gnadenreichen
Tonfluten kommender Gewitter vor.

Tief in den Wäldern schön und geheimnisvoll liegen unsre Schatzkammern, die kühlen kleinen Weinkeller der Bauern (…). Da liegt der Wein in grauen Fässern, Wein vom vorigen Herbst, und auch noch Wein vom vorvorigen, älteren gibt es nicht. Es ist ein sanfter, sehr leichter, traubiger Wein, von roter Farbe, er schmeckt kühl und sauer nach Fruchtsaft und dicken Traubenschalen.

Wir sitzen bei einem Grotto am steilen Waldhang auf kleiner Terrasse, die man auf ungefügen Stufen erklimmt, und die Raum für einen oder zwei Tische hat.

Ungeheuer steigen die Stämme der Bäume empor, alte, riesige Bäume, Kastanie, Platane, Akazie. Sie streben hoch hinan, durch ihr Gezweige blickt wenig Himmel, oft bin ich bei fallendem Regen hier gesessen, im Freien im Walde, stundenlang, und bin von keinem Tropfen berührt worden.

Herbstgedanken des Künstlers

Und im beginnenden Herbst meines Lebens
sitz ich allein,
schaue der Welt ins schöne grausame Auge,
wähle Farben der Liebe und male sie,
die so oft mich betrog,
die ich immer und immer noch liebe.
Liebe und Einsamkeit,
Liebe und unerfüllbare Sehnsucht
sind die Mütter der Kunst;
noch im Herbst meines Lebens
führen sie mich an der Hand,
und ihr sehnliches Lied
zaubert Glanz über See und Gebirg
und die abschiednehmende, schöne Welt.

 "Ich weiß nur allzu gut, wie flüchtig diese Schönheit ist, wie schnell sie Abschied nimmt, wie plötzlich ihre süße Reife sich zu Tod und Welke wandeln kann."

Dieser Sommer ist von indischer Glut. Auch der See ist längst nicht mehr kühl, aber am Spätnachmittag weht jeden Tag ein Wind gegen unsern Strand, dann ist es Erfrischung, in den Wellen zu baden und dann nackt im Winde zu stehen. Um diese Zeit steige ich häufig den Berg hinab zum Strande. Manchmal nehme ich Zeichenblock und Wasserfarben mit und Proviant und eine Zigarre, um den ganzen Abend dort zu bleiben.
Welkes Blatt

Jede Blüte will zur Frucht,
Jeder Morgen Abend werden,
Ewiges ist nicht auf Erden
Als der Wandel, als die Flucht.

Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte, Blatt, geduldig still,
Wenn der Wind dich will entführen.

Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
Lass es still geschehen.
Lass vom Winde, der dich bricht,
Dich nach Hause wehen.

"Dies schöne wunderliche Haus (…) hat mir viel bedeutet und war in mancher Hinsicht das originellste und hübscheste von allen denen, die ich je besaß oder bewohnte. Freilich besaß ich hier gar nichts, und bewohnte auch nicht das Haus, sondern nur eine kleine Wohnung von vier Stuben als Mieter, ich war kein Hausherr und Familienvater mehr, der Haus und Kinder und Dienstboten hat, seinem Hunde ruft und seinen Garten pflegt; ich war jetzt ein kleiner abgebrannter Literat, ein abgerissener und etwas verdächtiger Fremder, der von Milch und Reis und Makkaroni lebte, seine alten Anzüge bis zum Ausfransen austrug und im Herbst sein Abendessen in Form von Kastanien aus dem Walde heimbrachte. Aber das Experiment, um das es ging, ist geglückt, und trotz allem, was diese Jahre schwer gemacht hat, sind sie schön und fruchtbar gewesen."

Hermann Hesse wohnte von 1919 - 1931 in diesem Haus. In dieser Zeit schrieb er u.A. "Klingsors letzter Sommer":
Klingsor stand nach Mitternacht, von einem Nachtgang heimge- kehrt, auf dem schmalen Steinbalkon seines Arbeitszimmers. Unter ihm sank tief und schwindelnd der alte Terrassengarten hinab, ein tief durchschattetes Gewühl dichter Baumwipfel, Palmen, Zedern, Kastanien, Judasbaum, Blutbuche, Eukalyptus, durchklettert von Schlingpflanzen, Lianen, Glyzinien.

"Wäre ich in meiner Einsamkeit geblieben, hätte ich nicht nochmals einen Lebenskameraden gefunden, so wäre es wohl nie dazu gekommen, dass ich das Camuzzihaus wieder verlassen hätte, obwohl es in vielen Beziehungen für einen alternden und nicht mehr gesunden Menschen unbequem war. Ich habe in diesem märchenhaften Haus auch bitter gefroren und allerlei andre Not gelitten."
Baum im Herbst

Noch ringt verzweifelt mit den kalten
Oktobernächten um sein grünes Kleid
Mein Baum. Er liebt's ihm ist es leid,
Er trug es fröhliche Monde lang,
Er möchte es gern behalten.

Und wieder eine Nacht, und wieder
Ein rauher Tag. Der Baum wird matt
Und kämpft nicht mehr und gibt die Glieder
Gelöst dem fremden Willen hin,
Bis der ihn ganz bezwungen hat.

Nun aber lacht er golden rot
Und ruht im Blauen tief beglückt.
Da er sich müd dem Sterben bot,
Hat ihn der Herbst, der milde Herbst
Zu neuer Herrlichkeit geschmückt.
Hoch am Monte Arbostora, aus den endlosen Kastanienwäldern weiß hervorleuchtend, steht eine alte kleine Kirche, der Mutter Gottes geweiht, eine Wallfahrtskirche, deren Glocken man nur wenigemal im Jahr läuten hört. […] An Sommerabenden um die Zeit des Sonnenuntergangs ist der kleine Platz vor der Waldkirche der schönste Platz in der ganzen weiten Gegend. Aber es geschieht sehr selten, daß um diese Stunde noch ein Mensch dort oben anzutreffen ist.

Hundertmal habe ich diese Madonna belauscht, tausendmal sie von ferne gesehen […] eigentlich schade, daß ich gar nicht Katholik bin und gar nicht richtig zu ihr beten kann. […] das traue ich doch der Madonna zu: daß sie auch uns Heiden verstehe und gelten lasse. […]

So verbindet mich vieles mit der kleinen Kirche am Berge, und am meisten liebe ich ihre Verborgenheit und magische Stille, ihr Sichverstecken, ihr Bestreben nach Unsichtbarkeit, ihre scheue Abwehr gegen Lärm und Menge, lauter Züge, in denen ich sie ganz und gar zu verstehen glaube.